Wer philosophieren will, muss einen
bestimmten Sprachstil wählen: soll ich möglichst nahe an der
Umgangssprache bleiben, damit auch jede/r mich versteht, oder mich
einer möglichst geschliffenen Fachsprache bedienen, um in
Kollegenkreisen Anerkennung zu finden? Als Kompromiss kann man sich
für die Essayistik entscheiden. Hier wendet man sich an ein größeres
Publikum, wobei der Stil irgendwo zwischen locker und elegant sich
bewegt. Diesem diametral entgegen steht die Esoterikstiloption, mit der man sich
ausdrücklich nur an einige wenige Eingeweihte wenden will, an eine
Minderheit mit oft apokalyptischem, avantgardistischem oder
revolutionärem Anstrich: indem man sich dem „Gerede des
Man“ verweigert, soll dem üblichen Lauf der Dinge Einhalt geboten oder der Mainstream wenigstens in eine etwas andere Richtung gelenkt werden. Das philosophische Denken bzw. Schreiben spielt sich irgendwo
zwischen diesen Extremen ab, man muss sich entscheiden, aber nicht endgültig, da die Register immer wieder gewechselt
werden können.
Aristoteles Sprachgebrauch wirkt
zunächst einfach, umgangssprachlich und das Gesagte leuchtet meist
auf den ersten Blick ein. Jedoch hängt das immer auch an der verwendeten Übersetzung und vergleicht man die unterschiedlichen Varianten, wird deutlich wie vielfältig ein und dasselbe ausgesagt werden kann. Ein großzügig gestalteter
Assoziationsraum ist vielleicht überhaupt typisch für die Alltags-
bzw. Umgangssprache: denn so können leichter gemeinsame Mengen
angeschnitten werden und man bekommt den Eindruck sich zu verstehen.
Das funktioniert in der Regel auch ganz gut, fragt man aber, wie das
etwa Sokrates gerne gemacht hat, etwas näher nach, stößt man schon
bald auf Schwierigkeiten – und mit der Zeit vielleicht sogar auf
richtiggehende Aporien, in denen man sich gut verlieren kann.
Für seine Vorstellung der Aporie 11
bekräftigt Aristoteles erneut die für die Suche der gesuchten
Wissenschaft typische Verklammerung des Schwierigen mit dem
Wichtigen; wiedereinmal wird damit indirekt deutlich, dass der Weg
des geringsten Widerstandes gerade der ist, den man nicht einschlagen
sollte, wenn man hier weiterkommen möchte. Besonders ausgezeichnet
eignen sich dafür offenbar Fragen nach dem „Wesen“ oder der
„Wesenheit der seienden Dinge“: das Denken über ousia
wird auf diese Weise unauffällig als eine Alternative zur Frage nach
(ersten) Ursachen oder Prinzipien eingeführt, und als eine der
größten Herausforderungen gepriesen. Dazu gehören Fragen wie: ist
dieses Wesen zunächst als Eines oder als Seiendes zu bestimmen? Sind
die beiden überhaupt voneinander unterscheidbar? Oder bilden sie
ununterscheidbar eine Wesenheit? Kann überhaupt etwas ohne Eines zu sein sein? Etc.
Die
platonisch-pythagoräische Schule sei, modern ausgedrückt, von der
Koinzidenz von Existenz und Identität überzeugt. Für Empedokles
und die „Naturphilosophen“ gäbe es dagegen unter dem Einen auch
noch eine andere … „Natur“
(physis), da zum
Beispiel die Freundschaft als „Ursache“
der Einheit gilt. Aristoteles springt (auch) hier zwischen
verschiedenen Such- bzw. Superbegriffen hin und her als ob nichts
dabei wäre: Ursache → Wesen → Natur → Ursache. „Das Seiende
kann [eben]
auf vielfache Weise ausgesagt werden“, wird Aristoteles bald
feststellen (vgl. IV 1003b 7). Zu recht kann also eine typisch
aristotelische Tendenz zum Polykausalen festgestellt werden, denn die
Welt erscheint als eine voll mit vielen verschiedenen Ursachen(typen)
und selbst die Natur ist nicht einfach so wie sie ist, sondern kann
sich immer auch als anders erweisen. Zumindest bei der Frage nach den
Ursachen hält Aristoteles jedoch gleichzeitig daran fest: „Je
ferner desto einer.“
Ivo
Gurschler
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen